„Was ist das denn da?“, fragen wir uns beim Blick auf die Landkarte.
鲅鱼卷区 Bayujuanqu. Oder spricht sich das dritte Zeichen „quan“?
Bezirk zur gerollten Makrele? Na, das kann ja was werden!
Anscheinend eine Sonderzone. Auf der Landkarte wirkt Bajujuanqu auf jeden Fall wie ein Ufo, das in die Landschaft gefallen ist. Wie wir später feststellen, der neue Hafen von Yingkou, der Millionenstadt im Norden. Inzwischen wohnen auch hier mehrere hundertausend Einwohner.
Nachdem wir gestern die letzten zehn Kilometer auf der Staatsstraße gefahren waren und gute Erfahrungen gemacht hatten, radeln wir auch heute wieder auf der G 202. Und tatsächlich verwöhnt uns diese mit mäßigem Verkehr und einer schönen Baumallee, die fast die gesamte Strecke ausmacht. Das ist auch dringend notwendig, weil der Wind in Orkanstärke von der Seite kommt und uns an den wenigen Lücken im Baumbestand fast von der Straße bläst. Mit unseren fast fünf Metern Länge bieten wir eine wunderbare Angriffsfläche und mir scheint, als halte uns nur unser hohes Gewicht auf dem Asphalt.
Unsere chinesische Fahne flattert auf jeden Fall kräftig im Wind, heute unbeanstandet.
Ereignissarme 50 Kilometer später erreichen wir Bayujuanqu. Auf den ersten Blick ein Schachbrett aus zehnspurigen Straßen, in Erwartungen einer Bebauung.
Plötzlich taucht rechter Hand ein deutsches Restaurant auf, mit Schweinebraten, Kasseler und Weizenbier.
Trotzdem fühlen uns etwas verloren und anscheinend gehören wir hier auch nicht hin. Wie so oft hatten wir über Ctrip, ein chinesisches Buchungsportal, ein Hotel gebucht, um sicher zu gehen, dass wir nicht ohne günstige Unterkunft dastehen. Meist lässt sich die Buchung auf Ctrip bis zum späten Abend kostenlos stornieren. Fanden wir etwas Besseres oder entschlossen wir uns, einen Ort vorher zu übernachten, haben wir die Buchung dann storniert, falls nicht, waren wir sowieso auf der sicheren Seite. Für Bajujuan haben wir uns für ein gerade neu gebautes Haus der Motel168-Kette in der Stadtmitte entschieden. Mit Motel168, ein wenig nach dem Vorbild von Motel One gestaltet, hatten wir in Nanjing gute Erfahrungen gemacht. Und der Preis von 12 Euro pro Zimmer hatte uns sowieso überzeugt.
Ctrip hatte die Buchung wie gewohnt schnell bestätigt. Gegen 15:00 stehen wir vor dem Hotel, laden ab, freuen uns, dass wir noch ein wenig Zeit haben, diese recht verwunderliche Stadt aus der Retorte zu besichtigen. Zornica kommt mit einem Pärchen aus Peking ins Gepräch, das soeben den lokalen Halbmarathon absolviert hat. Schön, sei es in Bayujuanqu, erzählen sie, so schön sauber und aufgeräumt!
Das mag sein, aber Ausländer scheinen hier nicht willkommen. Zumindest nicht im Motel168. Trotz Buchung und Bestätigung. Ob Ctrip uns denn nicht informiert hätte. Haben sie nicht. Da könnte sie leider nichts machen, bedauert die Rezeptionsdame. Sie hätten keine Lizenz für Ausländer.
Das erinnert sehr an die nicht so goldenen alten Zeiten in den 1980er und 1990er Jahren, als der Tourismus in China noch in den Kinderschuhen steckte und es nur einige wenige für Ausländer zugelassene Hotels gab. Manchmal durchaus aus gutem Grund: Alles andere wollte die chinesische Regierung den verwöhnten Ausländern nicht zumuten. Die Hotels mit Ausländerlizenz waren oft die einzigen, die einigermaßen westlichem Standard entsprachen.
Aber anno 2015, wo man in jeder noch so abgelegenen Kleinstadt günstige und saubere Unterkünfte findet?
Mit einem seltsamen Anflug von Nostalgie wissen wir nicht so recht, ob wir uns aufregen oder lächeln sollen. Ich entscheide mich für das erste, Zornica für das zweite. Zwei weitere Ablehnungen an verschiedenen Hotelrezeptionen später kippt bei uns beiden die Stimmung.
„Warum nehmen die hier keine Ausländer?“, fragt Sarah.
„Keine Ahnung!“
„Das ist aber blöde!“
>
Recht hat sie. Bleibt uns nur noch ein sehr teuer aussehendes Hotel eine Straßenkreuzung weiter, das uns ein weiterer Marathonläufer empfiehlt. 400 RMB für ein kleines Doppelzimmer verlangt das Hotel. Das sei bereits der Sonderpreis. Tatsächlich steht auf der Tafel mit den Zimmerpreisen 898 RMB.
Ich schüttle den Kopf, gehe zurück zu Zornica und den Kindern. Umgerechnet 120 Euro für eine Nacht, das übersteigt deutlich unser Budget.
Es ist inzwischen 17:00 Uhr geworden. Einmal noch gehe ich um den Block und frage an einem weiteren Hotel. Ebenfalls Fehlanzeige. Keine Ausländer, tut uns leid!
Zurück beim Fahrrad ergreift Zornica die Initiative. Freundet sich mit der Sales Managerin an. Um 17:30 Uhr haben wir zwei kleine Doppelzimmer für knapp 80 Euro inklusive Frühstück. Immer noch viel, aber was bleibt uns übrig. Die Visitenkarte der Managerin haben wir auch in der Tasche.
„Das wird Euch in Liaoning öfter passieren!“, warnt sie uns. „Wenn Ihr Hilfe braucht, ruft an!“
Tatsächlich geschieht am nächsten Abend in Yingkou genau das Gleiche. Buchung über Ctrip, Bestätigung, wir stehen vor der Tür und die Rezeptionistin kommt uns schon entgegengelaufen: „Sorry, keine Ausländer!“
Unsere Stimmung ist mal wieder auf dem Nullpunkt. Das liegt auch an der heutigen Strecke.
Wir haben uns diesmal für die „Meeresuferstraße“ entschieden und werden böse enttäuscht. Erst geht diese als achtspuriger Highway durch Hafenanlagen und Schwerindustrie, dann als endloses Asphaltband durch Salinen und Fischzuchtteiche.
Die Einfahrt in die Stadt ist dann eine exakte Kopie der gestrigen Fahrt nach Bayujuanqu. Wahrscheinlich eher umgekehrt, da Yingkou ja die ältere Stadt ist. Macht es aber auch nicht besser!
Schließlich finden wir doch noch ein günstiges Hotel. Die dürfen zwar auch keine Ausländern nehmen, scheren sich aber nicht darum.
„Habt Ihr einen chinesischen Personalausweis? Nein? Macht nichts!“
Und das Restaurant um die Ecke kennt keine Nationalitäten, sondern nur gutes Essen.
Ein Grund, zwei Nächste in Yingkou zu bleiben. Außerdem brauchen wir dringend mal wieder einen Ruhetag und Yingkou soll eine historische Alstadtgasse haben.
Die wollen wir uns morgen anschauen!
Ihr findet unsere Reise toll und Euch gefällt unser Blog? Hier könnt Ihr uns unterstützen!
You find our journey fascinating and enjoy our blog? We’d appreciate your support!