Verrückt

Eins vorweg geschickt – und das ist eigentlich das Aufsehenserregenste dieser Reise – unser Kinder sind gesund und munter und nehmen China inzwischen als das Normalste der Welt an.

Derweil kränkeln die Eltern. Nein, vor allem der Vater, sprich ich. Zornica hustet morgens nur noch eine halbe Stunde statt zwei Stunden wie noch vor einer Woche. Derweilen nehme ich Zahnschmerzen inzwischen als Normalzustand wahr. Spare bei jeder Mahlzeit den Backenzahn links oben und rechts unten aus. Punktgenaues Kauen, das nur manchmal schief geht.

„Warum schreist Du, Papa?“, fragt Nora.

„Zahnschmerzen!“

„Da musst Du zum Zahnarzt gehen!“

Recht hat sie und am 10. Juni habe ich auch einen Termin in Berlin. Meine Erfahrungen mit chinesischen Zahnärzten sind nicht die besten, das spare ich mir lieber und übe derweil selektives Kauen!

Wer will sich das schon antun!

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(Achtung Thomas und Christof: Archivbild! 😉 )

Wir sind also gut ausgerüstet nach China gefahren, was die medizinische Versorgung der Kinder aussieht.

Und wie die Tischler immer die krümmsten Tische haben, haben wir bei uns ein wenig geschlampt. Beziehungsweise ich mit meiner Gesundheit. Typischer Männerfehler! Die Einsicht hilft jetzt aber auch nicht weiter.

Wie dem auch sei: Wir radeln weiter durch China und haben heute eine lange Fahrt durch das Schilfgebiet vor uns, vorzugsweise auf der Meeresuferstraße, von der ja schon die Rede war. Deren Verlauf in dieser Gegend aber ein wenig unklar ist.

Auf jeden Fall fängt die Reise schon einmal gut an. Wir radeln auf einer ziemlich einsamen Nebenstraße durch weite Felder: Reis und Fischzucht soll das wohl mal werden, wenn es fertig ist.

Und es wird noch besser! Gute zehn Kilometer vor der auf Karte und Navi eingezeichneten Brücke erscheint wieder einmal eine real existierende Fata Morgana in Form einer Flussüberquerung.

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Es wäre also alles gut und entsprechend fühlen wir uns auch. Nora ruft sogar enthusiastisch „Karusell“ auf dem Weg von der Brücke ins Schilf! Das Codewort für: „Es geht bergab!“

Also topographisch gemeint.

Im konkreten Fall aber auch ein Omen. Denn wir werden auf den nächsten Kilometern ganz schön durchgeschüttelt! Der Wind kommt nicht profan von vorne, seitlich oder hinten, er kommt in Orkanstärke von allen Seiten, aber – alte Radfahrerweisheit – meist von vorne.

Da kann die Landschaft noch so schön sein: Es nervt, und mit der Zeit geht es auch an die Substanz! Als dann auch noch die ausgebaute Straße aufhört und die Wahl zwischen links (= Süden, spricht astreiner Gegenwind!) und rechts (= falsche Richtung, aber zur Hauptstraße hin, Rückenwind und eine Chance auf eine Mitfahrgelegenheit!) ansteht, wissen wir, was wir tun müssen! Leider wird die Rückenwindstraße noch gebaut und so fegt uns eine Staubwolke über Schlaglöcher nach Norden. Nach zehn Kilometern haben wir die Hauptstraße erreicht. Mitfahrgelegenheiten gibt es hier nicht, aber immerhin die Information, dass die nächste Stadt 12 Kilometer entfernt ist.

Das müsste doch zu schaffen sein!

Es wird der reinste Höllentrip! Der Orkan bläst stramm und unregelmäßig von der Seite und jeder vorbeifahrende LKW, egal aus welcher Richtung wird zum Windlotteriespiel. Hinter mir, auf Zornicas Sitzposition, wird es erstaunlich ruhig. Wahrscheinlich berechnet Zornica schon unsere Flugkurve von der Straße in den immerhin mit Wasser (oder einer wasserähnlichen Flüssigkeit, der Geruch ist da nicht ganz eindeutig!) gefüllten Graben. Verrückt – im Wortsinne!

„Uns ist kalt!“, kommt das Gewimmere von hinten.

Ich habe vor allem Angst, dass es uns tatsächlich von der Straße trägt. Ich erlebe die schlimmsten Radmomente meines Lebens, während ich in regelmäßig Abständen aufmunternde Nachrichten nach hinten rufe.

„Noch zehn Kilometer! Noch acht! Noch vier!“

Mir zittern die Hände, als wir die Ortschaft Dongguo erreichen. Während Zornica und die Kinder im lokalen Supermarkt verschwinden und zuckrige Nervennahrung suchen, erspähe ich einen Transporter, der für uns ideal ist. Nach fünf Minuten sind wir uns handelseinig: Für 450 RMB (65 Euro) bringt er uns nach Xingcheng. Erst hatte ich nach Jinzhou, unserem Etappenziel gefragt, dann aber auch nach dem Wetterbericht. Starker Südwestwind, noch drei Tage, war die Auskunft. Unser Fahrrichtung! Da war die Entscheidung klar.

Als die Familie aus dem Supermarkt tritt, ist die Familienkutsche bereits aufgeladen. Keiner ist darüber wirklich traurig.

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Drei Stunden und 150 Kilometer später sind wir in Xingcheng.

Sieht gut aus!

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One Comment:

  1. Danke für das Achtung Thomas und Christof: Archivbild! .
    Sonst hätte ich doch sicher nachgefragt. 😉
    In unseren Buchstagen hat der Schriftenmaler DENTEST SURGON. geschrieben. Meinte er wohl tempest oder eher dent test 🙂

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