Buddha bei die Fische

Eigentlich wollten wir auf unserer Reise auch Station in Beidaihe machen. Die Kleinstadt am Meer ist Ort des alljährigen Kadertreffens, bei dem, vor allem in der noch etwas real-sozialistischen Vergangenheit die politischen Weichen für das kommende Jahr gestellt wurden. Nun gut, es wurde auch viel gebadet, geknarzt und gesoffen. Zumindest unter Deng Xiaoping und Jiang Zemin. Den augenblicklichen Präsidenten Xi Jinping kann man sich eigentlich nicht mit Fluppe in der Hand vorstellen.

Beidaihe ist zudem wie Qingdao ein nostalgischer Ort für Zornica und mich. Dort haben wir eine Woche im Sommer 1994 verbracht, bevor Zornica zurück nach Prag geflogen ist und ich noch ein Jahr Peking drangehängt habe. Wir gönnten uns ein Zimmer mit Meeresblick und Balkon und haben die chinesische Sommerfrische genossen, kurz bevor die Kader den Strand überrannt haben.

Das ist über 20 Jahre her. Vielleicht ist es die Erfahrung mit Qingdao, ganz rational aber einfach die Strecken- und Zeitplanung, dass wir Beidaihe diesmal auslassen.

Da wir den Kindern aber Meer versprochen haben und selbst auch ein wenig frische Salzluft vertragen können, radeln wir heute nur zehn Kilometer von Xingcheng-Stadt nach Xingcheng-Strand. Zehn Kilometer breite ausgebaute Prachtstraße zum Meer!

Gegen Mittag sitzen wir dann auf unserem Balkon, blicken über das Meer und beschließen, zwei Nächte, nicht nur eine Nacht hier zu bleiben. Die letzten Wochen, vor allem aber der Wind der letzten Tage haben uns sehr zugesetzt und wir brauchen eine Auszeit.

Die Kinder stürzen sich auf zwei Eimer mit Plastikschaufeln und wir uns über eine paar mit Wasser gefüllte Plastikwannen: Hier bewahren die Strandrestaurants ihre lebende Speisekarte auf.

Tintenfisch wäre unsere erste Wahl, das ist bei mir aber immer ein akuter Fall von selektivem Kauen. So fällt unsere Wahl diesmal auf Langusten, natürlich auf die lokale Art und Weise zubereitet.

Auf Chinesisch heißen Langusten Pipi-Shrimp, das hätte uns eine Warnung sein sollen! In Xingcheng werden die Langusten wie folgt zubereitet:
Als Ganzes, inklusive Schale, kochen, dann frittieren, in Knoblauch, Ingwer und Chili wenden und mit der Schere in drei Stücke schneiden. Auf dass den Rest die Zähne der Gäste richten! Oder eben umgekehrt…

Zornicas Brücke wackelt ja auch schon die ganze Zeit, da ist das heutige Mittagessen ein wenig wie ein Kugelfisch-Diner. Wir wissen nie, was als nächstes passiert. Gut, es passiert nichts, außer, dass wir hungrig und fast 30 Euro leichter wieder aufstehen.

Xingcheng ist also die Tourihölle auf Chinesisch, aber ausnahmsweise kein Disneyland. Eher Timmendorfer Strand meets Malle. Unser Hotel ist Timmendorfer Strand, jedenfalls so wie ich ihn von 2000 in Erinnerung habe, als ich mit einer chinesischen Tourismusdelegation auf Roadshow durch Deutschland war und in einem dieser 70er-Jahre-Vier-Sterne-Kästen mit viel Resopal an den Wänden unterkam. Ob es denn nicht etwas Besseres gegeben hätte, fragte mich die chinesische Delegation.

Nun gut, am Xingchenger Strand anno 2015 sieht es ähnlich aus: Der Meeresblick ist phantastisch und die Einrichtung hat den Schwamm. Und dennoch sind wir am besten Haus am Platze!

Derweil schimmeln die Meeresfrüchte in ihren Plastikbehältern halbtot vor sich hin und werden tagtäglich für viel Geld an die willigen Strandgänger verkauft. Aber wo an den Stränden dieser Welt ist das anders, einige wenige ausgewählte Destinationen ausgenommen?

Das klingt jetzt nicht wirklich so, aber uns geht es hier wirklich gut. Die Luft ist frisch, die Szenerie hat durchaus Charme (und erinnert Zornica und mich in einem Anfall von Nostalgie an Baidaihe!) und unsere Kinder graben mit ihrem neuen Sandspielzeug den Strand um.

„Papa, Mama, hier ist es wunderschön!“, ruft Sarah. „Oh ja, hier bleiben wir!“, pflichtet Nora bei.

Am Nachmittag des zweiten Tages laufen wir dann bis ans andere Ende des Strandes und gehen auf die Suche nach dem Mazu-Tempel, der laut dem Reiseführer, den Zornica in Xingcheng erstanden hat, 1843 gebaut wurde und einer der besterhaltensten Tempel seiner Art in China ist.

Gut erhalten ist er. Gebaut geschätzte zwei Jahre zuvor und Teil eines Hotel- und Restaurant-Komplexes. In Sichtweite zweier mit Goldfarbe angepinselten Mazu-Statuen wirbt das Hotel mit Luxus-Suiten. Im angeschlossenen Café schlürfen ein paar Smartphone-Junkies überteuerten Espresso. Eine Nische im Fels hat dann tatsächlich ein paar religiöse Figuren, die ein wenig planlos nebeneinander gestellt wirken. Zornica und ich machen ein paar Fotos und werden sofort von einer älteren Dame des „Tempels“ verwiesen.

In der Regel ist in chinesischen Tempeln das Fotografieren erlaubt und wird auch von chinesischen Touristen ausgiebig zelebriert. Falls doch einmal Fotografierverbot herrscht, hängt dort ein großes Verbotsschild. Ist hier nicht der Fall. Wo sollte das Schild auch hängen? Am Hoteleingang? Neben der Espressomaschine?

Mir geht das ziemlich gegen die Hutschnur und ich frage die Dame, wie das denn zusammengeht: Abriss und komplette Säkularisierung des Tempels bis auf einige wenige Reste und dann das Bestehen auf eine religiöse Pietät, die dem Buddhismus auf diese Art in der Regel fremd ist.

„Das versteht ihr nicht! B-U-D-D-H-I-S-M-U-S!“

Im Chinesischen kann man eigentlich nicht buchstabieren, es hört sich aber so an.

Ich bin versucht, die Dame zu fragen, was sie denn in der Kulturrevolution so alles getrieben hat, da wird sie wohl so um die 20 gewesen sein, das beste Alter damals, um marodierend durch die Tempel des Landes zu ziehen.

Beiße mir dann aber auf die Zunge. Für Streit ist es viel zu schön hier.

So sehen es auch die vielen Hochzeitspaare, die die Ebbe für spektakuläre Meeresfotos nutzen. Gelb scheint die Farbe der Saison zu sein. „Huang“ steht als Farbe eigentlich nur für Pornographie. Andererseits stört es auch niemanden, dass Weiß eigentlich die Farbe der Trauer ist.

Hauptsache kitschig und fotogen!

Wir fläzen uns neben die Hochzeitspaare an den Strand, die Kinder mit Sandspielzeug und Limonade, wir mit einer Flasche Rotwein und Chips, strecken die Beine aus und genießen!

Saugen die frische Salzluft noch einmal in unsere Lungen!

Für morgen haben wir uns wieder einmal die „Meeresuferstraße“ ausgesucht. Wer weiß, was uns dort erwartet!

Zum Abschluss noch eine Fotogalerie, im wahrsten Sinne des Wortes!

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One Comment:

  1. Hallo Volker.
    Gerne lese ich Deine Berichte von Deiner Familienfahrt. Zu Deinem Zahnweh.
    Versuche einmal doppelte Dosis Penicillin, statt 1,2mega ..2,4 mega 3x taeglich
    zu nehmen. Eventuell toetest Du damit die Zahnbakterien ab. Dies war ein Rat von einem Zahnarzt als ich auf einer Eurer Touren dabei war.
    Liebe Gruesse an Deine Familie Eckhard Fuss

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