Gedanken auf nicht so hoher See

Meine Erinnerungen an Schifffahrten sind meist positiv.

Mit Interrail von Patras nach Brindisi, Deckpassage, neben mir drei attraktive Schwedinnen und mehrere Flaschen Rotwein.

Um die 30 Mal den Yangzi flussabwärts von Chongqing nach Wuhan, immer wieder ein Erlebnis.

Mit dem Seelenverkäufer den Mekong und seine Nebenflüsse entlang.

Und selbst die recht seelenlose Fähre von Hoek van Holland nach Harwich im Rahmen der Hongkong-London-Tour hatte ihre romantischen Momente.

Entsprechend stellte ich mir die Überfahrt von Yantai nach Dalian vor. Sonne, Promenadendeck und fröhlich tollende Töchter, während Zornica und ich einen kühlen Chardonnay genießen.

An letzterem wäre es nicht gescheitert, immerhin ist Shandong die Weinprovinz Chinas und keltert durchaus trinkbaren Rot- und Weißwein.

Was fehlte, waren Sonne, Promenadendeck und auch nur der kleinste Wohlfühlmomentauf der Fähre.

Schon auf die Fähre zu kommen, gestaltet sich schwierig: Pünktlich zur Abfahrt vom Hotel öffnete der Himmel seine Schleusen. Kurzerhand nehmen Zornica und die Kinder ein Taxi. Bis zur Fährstation, denke ich, sind es gerade einmal 500 Meter. Theoretisch ist dies richtig, dort befindet sich der Fahrkartenschalter und die Wartehalle.

„Um Himmelswillen!“, sagt die Schalterdame, als sie unsere Familienkutsche sieht. Und verschwindet erst einmal, um mit ihrem Vorgesetzten zu klären, ob das noch als Fahrrad oder doch als Auto durchgeht.

„Fahrrad!“, sagt sie, als sie nach 5 Minuten zurückkehrt. Dann drückt sie mir einen Zettel in die Hand, auf dem in Chinesisch beschrieben wird, wie ich auf die Fähre komme.

„Aus dem Hof fahren, rechts halten, nach 500 Metern beim Kreisel die dritte Ausfahrt, dann knapp einen Kilometer bis zum Fährhafen, rechts halten, zu den Docks fahren und dann nach 800 Metern ist der Anlegeplatz.“

Die Fähre geht in 15 Minuten. Es regnet in Strömen. Ich bin bereits klatschnass.

„Geht es auch anders?“, frage ich in einem Anfall von Verzweiflung.

„Warte mal!“, sagt die Schalterdame und verschwindet für weitere fünf Minuten.

„Nimm den Bus, mit Deiner Familie!“, sagt sie, als sie wieder kommt.

„Mit dem Fahrrad?“

„Mit dem Fahrrad!“

Zehn Minuten später sitzen wir im Shuttlebus zur Fähre. Unsere Familienkutsche nimmt die Hälfte des Platzes ein. „Mei Guanxi, macht nichts!“, sagt der Busfahrer, während er genervte Passagiere zwischen unser Tandem und den Anhänger klemmt. 12:10, wissen wir inzwischen, ist die Abfahrt des Shuttlebusses, nicht der Fähre. Diese fährt erst um 12:40. Gut zu wissen!

Nachdem alle Passagiere ausgestiegen sind, fährt uns der Busfahrer noch über die Laderampe ins Schiff.

„Da werdet Ihr nicht nass! Gute Reise noch“, ruft er!

Nachdem wir unser Gefährt im Laderaum abgestellt haben, laufen wir durch endlose Gänge die düsteren Decks nach oben. Viel besser als im Laderaum sieht es hier auch nicht aus!

Selbst das Restaurant, in dem wir unsere Quartier aufschlagen, während es draußen weiter in Strömen regnet, hat die Atmosphäre des Maschinenraums der Titanic, kurz bevor sie den Eisberg rammt. Klamm ist es, was auch daran liegt, dass nicht nur wir unsere nassen Klamotten auf den Sitzlehnen trocknen.
Die Kinder bekommen eine Extrasession „Wickie und die starken Männer“ und eine große Portion ihrer Lieblingsnudeln, Zornica und ich halten uns mit Schokolade und Qingdao-Bier über Wasser.

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Ist das die Wende zum Guten, von der wir geträumt haben? Ich schaue Zornica an und sehe die selben Gedanken in ihren Augen.

Sieben Stunden später sind wir in Dalian. Ein paar letzte Regentropfen, dann klart der Himmel auf. Wir fahren unsere Familienkutsche vom Schiff und checken in unser Hotel ein.

Den aufklarenden Himmel nehmen wir als Zeichen und lassen uns die Stimmung von der Schifffahrt nicht verderben. Um die Ecke lockt ein koreanisches Grillrestaurant. Das kommt uns und unseren Kindern sehr entgegen: Wir sitzen auf großen Kissen auf dem Boden und Sarah und Nora können nach Herzenslust herumtollen. Sarah probiert sogar einen Tintenfisch direkt vom Grill. „Nicht so gut wie der, den Du immer auf dem Balkon grillst!“, postuliert sie. Das schmeichelt!

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Auf dem Weg nach Hause blicken wir auf einen sternenklaren Himmel.

Alles wird gut!

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