Das geilste Hühnchen der Welt…

…das ekelhafteste Schwein und die armen Schlucker auf historischem Boden.

Das hätte der Titel dieses Blogs sein sollen. Aber solche Bandwürmer darf sich nur Peter Greenaway erlauben! Außerdem wird daraus ja die URL erstellt, und das kann sich keiner merken!

Also erst einmal das
Geile Hühnchen!

Ein kleiner Teil von mir ist froh, dass wir uns für eine weitere Solofahrt entschieden haben. Sarah und Nora brauchen dringend eine Pause, mehrere Tage an einem Ort und ein wenig Futter für die Sinne, das nicht aus chinesischen Straßen und Menschenaufläufen besteht, die unsere Kinder anfassen oder fotographieren wollen. Und auch Zornica wird die Pause gut tun. Seit Tagen hustet sie am Morgen, was das Zeug hält und scheint am Ende ihrer Kräfte.

Und ein wenig Auszeit von der Familie tut mir auch gut. Schließlich sind Radtouren in China im weiteren Wortsinne meine Passion. 360 Kilometer an fünf Tagen mit der Familienkutsche, dass ist eine Herausforderung, die mir durchaus ein wenig Spass macht. Zumindest denke ich das noch am ersten Tag!

Der Weg hinaus aus Tai’an ist recht unspektakulär, breite Straßen, reger aber nicht nerviger Verkehr. Der Wind kommt aus wechselnden Richtungen und die Topographie ist nicht so elaboriert wie ich es befürchtet habe. Ein paar kleine Steigungen, ein paar kurze Abfahrten. Angenehmes Radeln bis etwa 20 Kilometer vor Laiwu.

Dann: Totalsperrung der Landstraße. „Autofahrer nehmen bitte die Autobahn, andere Verkehrsteilnehmer fahren bitte die Umleitung“

Na herzlichen Dank! Die Umleitung führt in einem 40-Kilometer-Bogen in den Norden. Das würde ich mir gerne sparen!

Also Autobahn? Bin ich in den letzten Jahren in China öfter mal gefahren. Vor allem entlang der Seidenstraße. Als mich damals eine Polizeiauto anhielt, dachte ich sofort an eine saftige Strafe und das Ende meiner Tagestour. Die Herren in Uniform wollten aber nur ein Foto mit mir machen.

Beim Blick auf mein Navi entdecke ich aber eine kleine Straße, die mehr oder weniger parallel zur Autobahn verläuft. Das ist meine Route!

Laiwu zeichnet sich durch zehn Kilometer Stahlkombinat und dann eine leidlich neue Innenstadt aus. Inmitten eines riesigen Platzes mein Hotel mit Blick auf dieses imposante Gebäude.

Preisfrage: Wer residiert hier?

Richtig geraten, die Stadtregierung!

Kulinarisch ist das natürlich die reinste Wüste! Auf der Suche nach etwas Essbaren irre ich ziellos die Straße entlang, habe schon die Hoffnung aufgegeben, etwas zu finden.

Dann breitet sich ein Straßenrestaurant auf beide Bürgersteige aus und ich finde den letzten freien Platz.

Zehn Minuten später steht es vor mir:
Das geilste Hühnchen der Welt!

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Noch nie habe ich Gongbao Jiding 宫保鸡丁 so gut gegessen: Die Hühnerstücke leicht frittiert, angenehm scharf, die Erdnüsse knusprig und der Sichuan-Pfeffer großzügig über den Teller verteilt! Den Koch würde ich gerne mit nach Berlin nehmen!

Und die ekelhafteste Sau
China ist ein tolles Radfahrland! Der Hauptverkehr geht auf die Autobahnen und selbst Bundestraßen sind wenig befahren!

Das erzähle ich potentiellen Teilnehmern auf Messen und am Telefon. Aus gutem Grund: 20 Jahren veranstalten wir nun Radreisen im Rad der Mitte und haben selten wirklich Probleme mit dem Verkehr gehabt. Um Shandong machten wir aber bisher einen großen Bogen!

Mit gutem Grund, wie sich heute herausstellt!

Der heutige Tag ist der schlimmste, den ich je auf dem Fahrrad in China erlebt habe. Und das schließt eine Erkundungsfahrt durch das Kohlerevier in Shanxi ein!

Die Strecke ist übersichtlich: 60 Kilometer bis Yiyuan stehen auf dem Programm. Ungefähr 300 Höhenmeter. Alles nicht tragisch.

Aber was für 60 Kilometer! Der Seitenstreifen der Landstraße ist eine mit Steinen durchsetzte Sandgrube. Im Sekundentakt brausen mit Seecaontainern beladene Lastwagen an mir vorbei.

In anderen Provinzen, Zornica hat es schon geschrieben, fährt der Schwerverkehr über die Autobahn, die meist in Sichtweite der Landstraße führt. Hier geht die ganze Last über die überfüllte, Schlagloch übersäte Nebenstraße. Zum ersten Mal seit 25 Jahren wünsche ich mir in China einen Mundschutz!

Yiyuan, mein Etappenzeil, ist dann passender Weise ein trostloses Nest.

Zum Abendessen gibt es dann
Die ekelhafteste Sau der Welt!

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Bei Jingjiang Rousi 京酱肉丝 kann man eigentlich nicht viel falschmachen. In Sojasoße gebratenes Schweingeschnetzeltes mit frischen Frühlingszwiebeln, das g
Ganze dann appetitlich in Pfannkuchen eingewickelt. Soweit die Theorie.

Das, was ich auf dem Teller habe, schmeckt wie angebranntes Gullasch aus einer ungarischen Bahnhofskantine und wird in etwas eingepackt, was wie Pergamentpapier aussieht. Und leider auch so schmeckt!

„Küche des chinesischen Nordostens!“ wirbt das Restaurant. „Kommt Ihr aus dem Nordosten?“, frage ich die Chefin, die eher wie eine Puffmutter als wie eine Restaurantbesitzerin aussieht und wahrscheinlich auch den Massagesalon im Hinterhof führt.

„Nein, aber da verkauft sich gut!“, gibt sie offen zu.

Shandong war vor zweitausend Jahren der Nabel der chinesichen Welt. Heute rutscht das Körperteil der korrekten Beschreibung leider ein wenig nach hinten und unten! An dieser Stelle noch einmal eine Entschuldigung an die Shandonger unter den Lesern, und, wie richtig angemerkt worden ist, auch an die Landsleute aus Sachsen-Anhalt und Ostfriesland

Wie auch immer, mir graut vor dem nächsten Tag, was auch an der Länge der Strecke liegt, die ich mir vorgenommen habe: 135 Kilometer. Bei hügeligen Terrain. Eigentlich klar: Das kann nicht gut gehen! Muss es aber, weil ich rechtzeitig in Qingdao sein möchte. Die Familie wartet!

Der Tag ist erträglich, zum ersten Mal seit Tai’an mache ich wieder Bilder von der Strecke, die zuweilen durchaus schön ist!

Zuweilen macht es tatsächlich Spass, die Familienkutsche an ihre Grenzen zu bringen, und 138 Kilometer und knapp 1.000 Höhenmeter später falle ich in Zhucheng angenehm erschöpft ins Bett!

„Pippifax!“, denke ich mir für die Reststrecke. Doch der Wind weht meist von der See her. So auch in Shandong und Qingdao scheint eine unendliche steife Brise entfernt!

Das ländliche Shangdong habe ich nun endgültig hinter mir gelassen. So richtig ländlich wird es zwischen Zhucheng und Huangdao, der Retortenstadt gegenüber von Qingdao nicht mehr.

Trotzdem recht spannend!

Die letzte Etappe gestaltet sich dann schwieriger als erwartet! Was auf der Karte wie ein Katzensprung aussieht, ist eine 20-Kilometer-Irrfahrt durch Huangdao. Dann habe ich die Anlegestelle der Fähre nach Qingdao gefunden. Die Familienkutsche darf als erste an Bord und ich genieße die halbstündige Überfahrt nach Qingdao.

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